Im Laufe des Zweiten Weltkrieges zerstörten amerikanische Bomberpiloten immer wieder Dörfer und Großstädte, dabei wurden viele Zivilisten verletzt und ermordet, Kinder, Frauen und Alte. 1770 Bombentote in Graz bei 57 Tag- und Nachtangriffen zwischen 1941 und 1945. Die meisten starben aber bei einem Luftangriff am 1. November 1944. Die US-Luftangriffe auf Shanghai begannen im Juli 1944. Fast täglich gingen Bomben der amerikanischen B-29-Flieger nieder. Am 17. Juli 1945 trafen sie das jüdische Ghetto in Hongkew. 31 Flüchtlinge starben, hunderte wurden verletzt. Und das Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Wer waren die Piloten, die diese Mordmaschinen flogen? Gangster a la Al Capone aus Chicago, Schlitzaugen aus China Town, berufsmäßige Terroristen?
Für den vierzehnjährigen Spielmann waren sie alle Helden. Er fühlte sich wie einer von ihnen, wie Gary Cooper in dem Spielfilm "Only the Brave". Der Nordstaaten-Offizier führte im Süden eine Undercover Aktion durch, wird dabei entlarvt und zum Tode verurteilt. Den Tod musste auch Helmut befürchten. Die halbe japanische Armee war hinter ihm her, weil er angeblich einen Offizier erschossen hatte. Auf der Flucht versteckte er sich mit seiner 8 mm Nambu in einem Keller, hielt es da aber nicht lange aus. Er wickelte die Standard Pistole der Kaiserlich Japanischen Armee in Papier und versteckte sie unter einem Haufen alter Ziegel einer Bombenruine. Die ersten Versuche, Geschäfte zu machen, schlugen fehl. Keiner der Schwarzhändler wollte mit ihm, dem Gesuchten, etwas zu tun haben. Die Angst vor den Japsen war zu groß. Auch sein bester Freund hatte Angst, verdächtigt zu werden. Aber er beschaffte Patronen. Einzig die Freundin eines anderen Freundes bewunderte ihn, sie umarmte und küsste ihn und wollte sofort einen Geschlechtsverkehr. Er war für sie der Public Enemy Nr.1.
Helmut Spielmann:
"Shanghai -
eine Jugend im Exil"
Herausgegeben von
Gerald Lamprecht und
Ingeborg Radimsky.
Clio Verlag Graz 2015
Preis: Euro 18.00
Vor Weihnachten holte Helmut die Nambu aus dem Versteck in der Ruine und reinigte die Waffe. Sie war verrostet und verdreckt. Aber nach Wochen glänzte sie wie eine Monstranz. Er versteckte sie unter seinen Ministrantengewändern in der Sakristei.
Angefangen hatte alles im Herbst 1944. Helmut wurde bei einer Ausweiskontrolle von einem japanischen Unteroffizier festgenommen und in das Hauptquartier der Pao Chia geführt, wo ihm befohlen wurde, auf den leitenden Offizier zu warten. Kaum hatte der Unteroffizier den Raum verlassen, sprang Helmut auf, schnappte sich seinen Ausweis, der auf dem Schreibtisch lag, und stahl aus der offenen Schreibtischlade eine geladene Nambu. Mit der Pistole in der rechten, öffnete er mit der linken Hand vorsichtig die Bürotür, trat in den Gang und schoss nach drei Schritten zweimal, einmal in den Boden, das zweite Mal in die Luft, um zwei Soldaten, die sich auf ihn stürzten, zu erschrecken. Er verließ das Hauptquartier der Pao Chia langsam und unaufgeregt. Erst in der Seitenstraße rannte er um sein Leben. Die Flucht sei gelungen, weil der, der eine Waffe besitzt und bereit ist, sie zu benutzen, den Vorteil auf seiner Seite habe.
Im nächsten Kapitel geht es um die Atombombenabwürfe auf Hiroshima am 6. August 1945 und auf Nagasaki am 9. August 1945 und um das Ende des Zweiten Weltkrieges in Asien. Helmut Spielmann und seine Freunde waren McArthurs beste Truppe hinter den feindlichen Linien. Jetzt sind sie Dolmetscher der Amerikaner und fahren in einem US-Militärfahrzeug durch Shanghai: Vier in einem Jeep.
Leserkommentare
Isa Franziska Knilli, 16 Jahre
Für mich und bestimmt für meine Freundinnen sind die Schilderungen dieses Steirers nur schwer zu glauben. Er war viel jünger als ich. Aber Helmut bringt einem Shanghai sehr glaubwürdig vor Augen. Der ständige Kampf um jedes Mahl, die systematische Ausgrenzung der Flüchtlinge seitens des Staates und der trotzdem oder eher gerade deswegen vorhandene Geist des Rebellierens. Die geschickten Lösungen, die er sich überlegt, um an Geld zu kommen, bringen einen, obwohl es eigentlich ein sehr ernstes Thema ist, zum Schmunzeln. Er erzählt davon, wie er die Banken überlistet, drei Geschirre voll Mittagessen in der Straßenbahn balanciert oder im Schulhof ein kleines Jausen-Verkaufs-Business startet oder seinen "Feinden" ihre Waffen klaut und immer knapp aber doch entkommt. Während seines ständigen Hasenlaufs vor der chinesischen Staatspolizei und den "Japs" verlor er trotzdem weder seinen Spaß an deren Provokation, noch seine guten Freunde oder seine Schulausbildung. Ich, als in diesem Thema totale Laiin, fand es sehr interessant so einen Einblick in die Situation an diesem Ort zu dieser Zeit zu bekommen und mir vorzustellen, wie ich Handeln würde wenn mich so ein oder so ein ähnliches Schicksal treffen würde.
Antisemitismusforschung
www.feuchtwanger.de
www.ich-war-jud-suess.de
Fortsetzung im November in der Folge 5/12 auf www.DerInternetlink.de
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Lena Knilli, Installation "Zu Tisch"
Dass der Zweite Weltkrieg in Europa früher als in Asien zu Ende gehen würde, konnte der Cousin Walter bereits im Sommer 1944 in Moskau erleben. Denn Stalin war bereits am 17. Juli 1944 in der Lage, rund 57.000 gefangene deutsche Soldaten und Offiziere in Moskau öffentlich zur Schau zu stellen. Sie mussten in zwanziger Reihen mit ihren Generalen, ihren Heerführern an der Spitze am Kreml vorbei gehen. Die Gefangenen wurden bewacht und eskortiert von Rotarmisten mit aufgepflanztem Bajonett und von berittenen Kosaken. Sie kamen direkt von den Schlachtfeldern in Weißrussland, wo Stalin der Durchbruch durch die Ostfront gelungen war. Die Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte.
Es war ein antiker Triumphzug, mit dem Stalin seine Beute vorführte, die künftigen Arbeitssklaven für Sibirien. Wie viele Moskauer stand auch der kommunistische Emigrant und Spanienkämpfer Walter Kohn am Straßenrand und konnte in den müden Gesichtern der Männer nur Hoffnungslosigkeit lesen.
Der rasante Vorstoß der Roten Armee machte den Häftlingen in Auschwitz Hoffung. Denn im Lager hatte es sich herumgesprochen, dass das "Konzentrationslager Lublin" bereits am 23. Juli 1944 von der Roten Armee befreit worden war. Für Hans Spielmann war das Gerücht keine Hoffnung, denn er hatte die Stalinisten am eigenen Leib erfahren, im Spanischen Bürgerkrieg und danach in Montauban. Er war Trotzkist.
Der Italienfeldzug war ein Feldzug der Alliierten und zwang Hitler Truppen von der Ostfront abzuziehen. Er war einer der verlustreichsten Kriegsschauplätze im Zweiten Weltkrieg, nicht für den Lebenskünstler Ernst Spielmann. Er konnte beispielsweise seine Scheidung vorantreiben. Rom wurde am 4. Juni 1944 eingenommen. Sofort reichte er die Scheidungspapiere bei dem in Rom wieder amtierenden Oberrabbiner ein und ließ sie an das Oberrabbinat in Jerusalem schicken. Das geschah, aber die Dokumente wurden in Jerusalem nicht anerkannt, weil sein Name falsch geschrieben worden war. Und so weiter und so fort. Mehr in der Novemberausgabe.