Lion Feuchtwanger emigrierte als gut verdienender Autor eines internationalen Buchmarktes und lebte den Rest seines Lebens im Exil. Nahe Hollywood. "Viele engte das Exil ein," meditierte er, "aber den Besseren gab es eine Weite, Elastizität, es gab ihnen Blick für das Große, Wesentliche und lehrte sie, nicht am Unwesentlichen zu haften ... Viele von diesen Emigranten wurden innerlich reifer, erneuerten sich, wurden jünger..." Und was, lieber Exilspezialist, passierte mit den bereits Jüngeren, mit den vertriebenen Kindern und Jugendlichen?
Für unseren 15jährigen Steirerbuam war das Exil wie sich später herausstellte, der einzige Höhepunkt seines ganzen Lebens. Denn da sagte ein amerikanischer Offizier im August 1945 in Shanghai zu ihm und seinen Freunden ganz spontan:
Helmut Spielmann:
"Shanghai -
eine Jugend im Exil"
Herausgegeben von
Gerald Lamprecht und
Ingeborg Radimsky.
Clio Verlag Graz 2015
Preis: Euro 18.00
"'OK, boys, you 're hired!' Welcher Status? Specialists third class, attached 10 HQ Company. 701s1 M.P.Battalion, CB1, P. r (China-Burma-India, Pacific Theater of war). Ausweise, die dies bestätigten, PX-Privilegien, Uniform on base/off base, Dienst nach Notwendigkeit, call-in jeden Morgen um O-seven hundred hours, sonst noch was?"
Die erste Amtshandlung fand am 2. September 1945 statt. Verhört wurde ein Offizier der japanischen Hafenpolizei, danach ein Oberst und viele andere. Helmuts Aufgabe war, die Fragen des Intelligence Officer zu übersetzen. Es ging um Misshandlungen, Erschießungen, Folterungen von Zivilisten, gefangenen Fliegern, Bordschützen, auch um Froschmänner der US-Navy. Die meisten haben geredet und ihre Kameraden und Vorgesetzten angeschwärzt. Wenn die Büroarbeit erledigt war, kontrollierten der Steirer im Jeep die nächtlichen Straßen von Shanghai, wo das US-Militär gerade den Verkehr von links nach rechts umstellte. Den Jeep lenkte ein Amerikaner, neben ihm saß ein MP der C.N.A., hinter dem Fahrer saß Helmut Spielmann und daneben ein chinesischer Stadtpolizist, der als einziger Zivilisten anhalten durfte. Die "Vier im Jeep" erinnern an die Besatzungszeit in Wien.
Warum Helmut Spielmann nicht in die USA auswanderte, erfahren sie in den nächsten Kapiteln, auch warum mit dem Endes des Krieges und der Heimkehr in die Steiermark die eigentliche Tragödie seiner Vertreibung und seines Lebens begann. Die wichtigsten Stichworte: Die Rollen seiner Eltern. Die seiner Verwandten: Der Tod von Hans Spielmann. Die Auswanderung von Ernst Spielmann. Die Heimkehr Walter Kohns. Der katholische Antisemitismus und Antikommunismus in der Steiermark. Die deutschnationalen Kaufleute und die Beamten in den Verwaltungen der Gemeinden, des Landes und des Bundes. Die Verkitschung des Holocaust.
Antisemitismusforschung
www.feuchtwanger.de
www.ich-war-jud-suess.de
Fortsetzung im Dezember in der Folge 6/12 auf www.DerInternetlink.de
ISA: Wir reden von Wien 45, während der Besatzungszeit. Von den 4 im Jeep.
CARLA: Also für mich war die Russenzeit schwierig. Ich war noch ein Kind, Jahrgang 1938. Aber mit 17 nach dem Theater nach Hause gehen, war äußerst gefährlich. Wenn du da einem besoffenen Russen oder mehrere getroffen hast: sehr gefährlich, ja. Ich bin aber trotzdem immer alleine gegangen, es hat mich nie jemand abgeholt.
HILDEGARD: Aber da muss man dazu sagen, dass die Russen einen Hass auf die Deutschen und die Österreicher hatten.
CARLA: Das kann man nicht einmal sagen
HILDEGARD: Also eigentlich alle hatten einen Hass auf die Deutschen und die Österreicher
ISA: Und warum?
HILDEGARD: Ja weil die Deutschen einfach über die Länder hergefallen sind.
CARLA: Die Deutschen haben ja den Krieg angezettelt und dann haben sie den ganzen Krieg nach ganz Europa getragen
ISA: Aber warum auch auf Österreich?
CARLA: Österreich hat sich angeschlossen an Deutschland. Und Hitler war ja geborener Österreicher, der war ja in Braunau, in Oberösterreich geboren und da er als Maler total ein Flop war, also total versagt hat, hat er einen Hass auf die Österreicher irgendwie gehabt
ISA: Nur weil er was nicht geschafft hat?
CARLA: Ja, sozusagen.
VALENTIN: Also es sind viele dann auch mitgegangen oder haben Kinder von ihnen. Da gab es auch eine Serie im Fernsehen, "Die Besatzungskinder". Dann haben wir da auch so vis-a-vis das Gasthaus gehabt und da sind die Russen da auch gewesen, aber so die netteren, die Offiziere und so. Die wollten einfach nur Kontakt mit den Leuten und da habe ich eine Freundin gehabt, die hat halt oft zugehört, was die Russen so erzählt haben. Die haben halt schon viel Heimweh gehabt, die haben ihre Familien zu Hause gehabt, die haben ja auch müssen, so wie mein Vater der hat ja auch nicht freiwillig gedient.
ISA: Aber es gab schon auch welche, die freiwillig da waren
VALENTIN: Ja, es hat in der Familie auch welche gegeben, die schon bei der Partei waren vorher. Also, du meinst die von der Besatzung, nein, die waren nicht freiwillig da, die mussten, die sind eingezogen worden.
ISA: Also und die hatten auch Heimweh?
VALENTIN: Also die Amerikaner haben sich glaube ich schon freiwillig gemeldet soweit ich weiß. Überhaupt, die mussten nicht, die Amerikaner. Und die Engländer glaub ich auch nicht. Die Russen mussten sicher.
Isa Knilli, Interview: "4 im Jeep"
Der Aschenmensch von Buchenwald
In der golem-artigen Figur des Aschenmenschen werden Stimmen Ermordeter laut.
Bei Renovierungsarbeiten im Krematorium der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald macht ein Dachdecker im August 1997 einen ungeheuerlichen Fund: 700 Urnen mit der Asche von namenlosen Häftlingen. Erste Ratlosigkeit mündet in dem Beschluss, die Asche der Toten, fünfzig Jahre nach deren Ermordung, in einem Gemeinschaftsgrab beizusetzen.
Basierend auf dieser Begebenheit lässt Ivan Ivanji, selbst einst Häftling des KZ Buchenwald, aus den Genen der anonymen Verstorbenen eine neue Gestalt von mythischer Wucht erstehen: den Aschenmenschen von Buchenwald. In ihm verbinden sich dereinst hingerichtete Bibelforscher und Kommunisten, christliche Priester und Juden, Zigeuner und Berufsverbrecher und eine italienische Prinzessin - aber auch ein Lakai Goethes und ein junger Deutscher aus dem russischen Sonderlager zu einem wolkenförmigen Wesen, das hinabsteigt vom Ettersberg nach Weimar. Sind die im Aschenmenschen versammelten Individuen Erinnyen, rachesuchende Seelen Ermordeter? In einem Stimmenkonzert der Toten lässt Ivanji sie zu Wort kommen, ihre Geschichten erzählen, nach Gemeinsamkeiten und Erklärungen suchen.
»Seine Absichten hat der Aschenmensch noch nicht formuliert. Weder in Worten noch im lautlosen Plan. Das Wesen, allerdings, das da entstanden ist, beginnt, sein Unwesen zu treiben.«
Quelle: Ivan Ivanji, Der Aschenmensch von Buchenwald.
Roman, 155 Seiten, gebunden
mit Schutzumschlag,
ISBN 978-3-85452-429-8
18,90 Euro inkl. MWSt.