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Ein Imbißladen
in Sydney
"Endlich, nach mehrfachem Verstellen der Armbanduhr und geziemender Bewunderung des südlichen Sternenhimmels, beginnt unter lautstarkem Getute der Schiffssirenen die Einfahrt in den Hafen von Sydney, von dem angesagt ist, daß er sich durch besondere Schönheit auszeichne, was dem Alphons so lang wie dünn ist. Und da Australien nicht wie Amerika über eine Freiheitsstatue verfügt, kann er auch nicht von Jubelgeschrei, Hallelujas und Hosiannas berichten. Im übrigen fühlt er sich in keiner Weise befreit, sondern widmet sich unter dem Schein der grölenden Sonne Australiens schweißgebadet der Beantwortung der zahllosen Fragen stämmiger, kurzbehoster Zollbeamter.
So, und nun steht er, von seinen zwei Koffern umrahmt, auf der von Menschen und Autos wimmelnden Werft und fragt sich: Wohin? Es währt nicht allzulange, und er wird zu einer Gruppe herangewunken, die bei einem mit Schreibstift und Papierkram ausgestatteten Menschen steht. Dieser entpuppt sich als Repräsentant einer Australian Jewish Welfare Society, und nach dem Ton, den er anschlägt, muß es sich wohl um eine Art offizielle Aufnahme-, Registrierungs-, Hilfs- oder Unterbringungsinstanz handeln.
In der Tat wird er nach Vorzeigen von Paß und Einreisepapieren auf einer Liste abgehakt, mitsamt den anderen dringend ermahnt, um Himmels willen in der Öffentlichkeit kein Wort Deutsch, sondern nur Englisch zu sprechen oder, wenn man es nicht kann, den Mund zu halten, und aufgefordert, sich zur Registrierung auf dem Büro zu melden, und im übrigen sei in einer sich Pitt Street nennenden Straße unter der Nummer Sowieso auf der ersten Etage ein Treffpunkt eingerichtet, wo man über die Mittagszeit eine Tasse Tee und eine mit Butter bestrichene Semmel oder so was ähnliches zum Preise von drei Pence sowie gute Ratschläge von freiwilligen Mitarbeitern der Wohlfahrtsgesellschaft entgegennehmen könne.
Auf die ganz natürliche Frage nach einem billigen Hotel weist ihn der gestrenge Flüchtlingsbewacher darauf hin, daß Australien kein großzügig mit Hotels bestücktes Tourismusland sei, es für Unbemittelte genügend möblierte Zimmer gebe und der Herr, der da drüben stehe, ihm bei der Suche nach einem solchen gerne behilflich sein werde, wobei sich dann herausstellt, daß »der Herr da drüben« der Vermieter eines Zimmers ist, zu dem er geführt wird. Das nach seinen Vorstellungen durchaus preiswerte Zimmer erweist sich als eine zur Straße gelegene überdeckte Veranda, zu der man mühelos nach Durchschreiten des stets mit irgendwelchen Menschen angefüllten, sich »sitting room« nennenden und mit Plüschsofa und -sesseln ausstaffierten Wohnzimmers gelangt, das er je nach den Umständen bekleidet oder nur leicht beschürzt zu durchschreiten hat, falls ihn dringende Bedürfnisse ins Bad oder auf die Toilette rufen. Was soll es, sagt er sich, so sind nun mal die australischen Sitten: Zähne putzen kann man überall, Hauptsache, man putzt sie.
Da das australische Völkchen angesichts der klimatischen Bedingungen gerne ein Leben im Freien führt, haben Außenveranden selbstverständlich keine Vorhänge, so daß ihm schon in der Herrgottsfrühe seines ersten australischen Sommertages die Sonne gütigst in die Augen blinzelt. Zusammen mit einer Bande kreischender Kinder und einer unfrisch dreinblickenden Mutter verzehrt er sein dem englischen Breakfast ähnliches Frühstück - dieses barbarische Gemisch aus geschmorten Würsten, aufgeweichtem Stockfisch, in Speckfett schwimmenden Eiern, hochgesüßter Orangenmarmelade und in Milch ertränktem Tee - und begibt sich guten Mutes zur Anlaufstelle der jewish Welfare Society in die City. Auf dem ihm angewiesenen Weg sieht er viel Grün, uniform aussehende Häuschen mit Vorgarten und dann in der City, dem Kern der Stadt, hohe und niedrige Gebäude, was in ihm allemal Erinnerungen an seinen Aufenthalt als Schüler in London weckt. Sie ziehen an ihm höchst unwesentlich vorüber, ebenso belanglos wie eine an dieser Stelle zu erwartende gründliche Schilderung des Ortes, an dem er einen Großteil seines Lebens zu verbringen haben wird. Er versagt sie sich, da er weiß, daß das heutige Sydney in keiner Weise dem damals noch von internationaler Städteplanung und Architektur kaum beleckten Aussehen entspricht, und er nicht gewillt ist, als Entwicklungsländer-Historiker oder Verfasser eines dem Fremdenverkehr dienlichen Besinnungsaufsatzes in Erscheinung zu treten. Er wird noch oft genug Gelegenheit haben, ihn betreffende Situationsbeschreibmagen im Zusammenhang mit Zeugnissen über die Disharmonie zwischen abbröckelnden äußerlichen Erscheinungsformen und ungestümer innerlicher Verfassung darzutun.
Es war nicht gerade epochemachend, was ihm und den anderen Hilfestellung erwartenden Emigranten von dem einen oder anderen Wohlfahrtsherrn in beschwingten Ansprachen in dem Tee- und Brötchenraum vorgesetzt wurde. Unentwegt stimmten sie Lobgesänge über die Herrlichkeit und Freizügigkeit des Landes sowie über angebrachte Dankesbezeugungen an, erwiesen sich aber nur selten als Ratgeber oder Vermittler für Arbeitsstellen. Das war schon recht so, denn schließlich waren die dort ihre Mittagsstunde opfernden Herren freiwillige Helfer ohne Eigeninteresse, nur von einer auf sich selbst blickenden Wohltätigkeitsmoral geleitet, nach der es sich als Jude gehört, vertriebenen Juden irgendwie beizustehen. Die mit jovialem Schulterklopfen verbundenen Worte: »You will be allright« klingen ihm heute noch wie ein Motto für die Totalität australischer Lebensauffassung in den Ohren: jeder für sich selbst; niemandem verpflichtet; sieh, wie du weiterkommst; wird schon werden; im Lande der Pioniere verreckt man nicht - das war, ins Reale übersetzt, der Kern dieser im Brustton der Überzeugung aufgestellten Leitplanke. Sie sollte sich ihm einprägen, denn er wollte ja »allright« sein. Auf dem Wege dorthin waren im Augenblick zwei Aufgaben zu lösen: ein Job für ihn, eine Einreiseerlaubnis für die Eltern."
Aphons Silbermann schließt seine in der Erform geschriebene Autobiographie mit einem von Friedrich Knilli angeregten Geständnis, das ihm viele Kollegen die so genannte Freundschaft kündigten.
"Was er sich im Leben auch zusammengelogen hat - unnötig zu betonen, wie anders hätte sich der Jude Silbermann im Überleben auch bewähren können -, jetzt bedarf er der Lüge nicht mehr: Durch sein Er spricht die Wahrheit seines Ichs:
Honi soit qui mal y pense.
Finis in meinem jüdischen Jahr 5750."
Für Friedrich Knilli
Quelle: Alphons Silbermann
Verwandlungen
Eine Autobiographie. 1989
Der berühmteste
Auslandssteirer
Quelle: Eva Rinaldi
http://www.flickr.com/photos/evarinaldiphotography/9031269705/
CC BY-SA 2.0
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=26631495
Im Referat Kommunikation der Landesverwaltung sitzt ein "Heer" von Steirern, aber kaum jemand, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit im Ausland kümmern könnte. Das gilt auch für die Abteilung 9: Kultur, Europa, Außenbeziehungen, was bei der großen Jubliläumsveranstaltung am 11. Mai 2005 peinlich zum Vorschein kam. Denn da ging es um "60 Jahre Friedensschluss, 50 Jahre Staatsvertrag und zehn Jahre EU- Mitgliedschaft". Anwesend war sogar der Bundespräsident, aber die großen Auslandssteirer der Nachkriegsperioden fehlten, was dem Festredner, einem ungarischen Juden sofort auffiel. Sein erster Satz war eine Watschen für Frau Landeshauptmann Klasnic (*1945) und ein Dankeschön für einen abwesenden Oststeirer: "Ich bin dem berühmtesten Auslandssteirer, Arnold Schwarzenegger, sehr dankbar. Er hat bewiesen, dass man mit einem dicken steirisch-österreichischen Akzent Gouverneur des sechstreichsten Staates der Welt sein kann."
Diese Blamage kaschierte Frau Landeshauptmann sehr schnell mit der Gründung einer neuen Behörde: Büro für Auslandssteirer. Es wurde im Juli 2005 eingerichtet. Die Leitung bekam eine Frau mit einer Naturbegabung und besonderen Bildung: Renate Christine Metlar. Dr. Phil. (1971), spricht Englisch und Französisch und baute die Behörde systematisch zu einem Metlar Bureau of Investigation aus mit einem weltweitem Netzwerk von Auslandsteirern in allen Berufen. Wann immer ein Steirer einen Geschäftspartner im Ausland suchte, bekam er Daten vom Büro Metlar. Und auch der Auslandsteirer in der Steiermark. Alles diskret und verdeckt. Die Informationsgewinnung erforderte oft Methoden der Geheimdiplomatie. Die Nähe zu Landesverrat und Spionage verlangte Präzision. Wichtig sei, "dass die Menschen weiterhin mit ihrem Heimatland verbunden sind und in Kontakt bleiben und dass auch wir auf deren Ressourcen zurückgreifen können. Wir sind für sie da, wenn sie ein Anliegen haben oder Hilfe benötigen, gleichzeitig machen sie Werbung und Imagepflege für unser Land. Steirer im Ausland sind unsere Sonderbotschafter!"
Waren da auch die Spielmans bei dem unterhaltsamen Heimatabend am 15. August 2015 in Sydney? (Klick auf die unten stehende Grafik).
Vielleicht
nach Palästina
Der Weg ins Freie
Zweites Kapitel
Die Schlafzimmertür tat sich auf, Herr Ehrenberg erschien und begrüßte Nürnberger.
»Hast du schon fertig gepackt?« fragte Else.
»Fix und fertig«, antwortete Ehrenberg, der einen viel zu weiten grauen Anzug anhatte und eine große Zigarre mit den Zähnen festhielt. Erklärend wandte er sich an Nürnberger. »Wie Sie mich da sehen, fahr ich heute nach Korfu... vorläufig.
(...)
»Gedenken Sie den ganzen Winter fortzubleiben?« fragte Nürnberger.
»Es wär' möglich. Ich hab nämlich die Absicht weiter zu fahren, nach Ägypten, nach Syrien, wahrscheinlich auch nach Palästina. Ja, vielleicht ist es nur, weil man älter wird, vielleicht weil man soviel vom Zionismus liest und dergleichen, aber ich kann mir nicht helfen, ich möcht Jerusalem gesehen haben, eh ich sterbe.«
Frau Ehrenberg zuckte die Achseln.
»Das sind Sachen«, sagte Ehrenberg, »die meine Frau nicht versteht, - und meine Kinder noch weniger. Was hast du davon, Else, du auch nicht. Aber wenn man so liest, was in der Welt vorgeht, man möcht selber manchmal glauben, es gibt für uns keinen andern Ausweg.«
»Für uns?« wiederholte Nürnberger. »Ich habe bisher nicht die Beobachtung gemacht, daß Ihnen der Antisemitismus auffallend geschadet hätte.«
»Sie meinen, weil ich ein reicher Mann geworden bin? Wenn ich Ihnen sagen möcht, ich mach mir nichts aus dem Geld, würden Sie mir natürlich nicht glauben, und Sie hätten Recht. Aber wie Sie mich da sehen, ich schwör Ihnen, die Hälfte von meinem Vermögen gäb ich her, wenn ich die ärgsten von unsern Feinden am Galgen säh.«
»Ich fürchte nur«, bemerkte Nürnberger, »Sie würden die Unrichtigen hängen lassen.«
»Die Gefahr ist nicht groß«, erwiderte Ehrenberg, »greifen Sie daneben, erwischen Sie auch einen.«
»Ich bemerke nicht zum erstenmal, lieber Herr Ehrenberg, daß Sie dieser Frage nicht mit der wünschenswerten Objektivität gegenüberstehen.«
Ehrenberg zerbiß plötzlich seine Zigarre und legte sie mit wutzitternden Fingern auf die Aschenschale. »Wenn mir einer damit kommt... und gar... entschuldigen Sie... oder sind Sie vielleicht getauft...? Man kann ja heutzutag nicht wissen.«
»Ich bin nicht getauft«, erwiderte Nürnberger ruhig. »Aber allerdings bin ich auch nicht Jude. Ich bin längst konfessionslos geworden; aus dem einfachen Grunde, weil ich mich nie als Jude gefühlt habe.«
»Wenn man Ihnen einmal den Zylinder einschlage auf der Ringstraße, weil Sie, mit Verlaub, eine etwas jüdische Nase haben, werden Sie sich schon als Jude getroffen fühlen, verlassen Sie sich darauf.«
(...)
»Es wird Sie sicher freuen zu erfahren«, wandte sich Ehrenberg an Nürnberger, »daß auch mein Sohn Oskar ein Antisemit ist.«
Frau Ehrenberg seufzte leise. »Es ist eine fixe Idee von ihm«, sagte sie zu Nürnberger. »Überall sieht er Antisemiten, selbst in der eigenen Familie.«
»Das ist die neueste Nationalkrankheit der Juden«, sagte Nürnberger. »Mir selbst ist es bisher erst gelungen, einen einzigen echten Antisemiten kennen zu lernen. Ich kann Ihnen leider nicht verhehlen, lieber Herr Ehrenberg, daß der ein bekannter Zionistenführer war.«
Ehrenberg hatte nur eine vielsagende Handbewegung.